Baulastenverzeichnis – Was Immobilienkäufer wissen müssen

Stellen Sie sich vor, Sie beabsichtigen ein Haus zu kaufen, das Ihnen zwar rundum gefällt, aber leider keine Garage hat. Sie planen also fest ein, dieses Manko zu beheben und direkt neben dem Haus zügig einen Unterstand für Ihr Auto zu errichten. Der Bebauungsplan weist keine Beschränkungen aus – und der Nachbar hat exakt eine solche Garage, wie sie Ihnen vorschwebt, auch auf seinem Grundstück stehen. Nach Unterzeichnung des Kaufvertrages erhalten Sie von der Baubehörde jedoch eine überaus ärgerliche Mitteilung: Sie werden an der geplanten Stelle niemals eine Garage errichten dürften, weil für Ihr Grundstück im Baulastenverzeichnis eine Abstandsflächenbaulast eingetragen ist. Ihr Problem, dass Sie vor dem Kauf diese Auskunft nicht eingeholt haben.

Die Einsichtnahme in das Baulastenverzeichnis sollte daher für jeden Immobilienkäufer eine niemals zu vernachlässigende Pflicht sein. In diesem Register sind alle öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen aufgelistet, die die Nutzbarkeit eines Grundstücks einschränken. Lesen Sie im folgenden Ratgeber welche Baulasten im Baulastenverzeichnis eingetragen sind, wie sie entstehen und welche Bedeutung Sie beim Immobilien- oder Grundstückskauf haben – und natürlich wie Sie das Baulastenverzeichnis einsehen können.

Was ist eine Baulast und wie entsteht sie?

Der Begriff Baulast stammt aus dem Bauordnungsrecht und bedeutet, dass der Eigentümer eines bestimmten Grundstücks konkrete öffentlich-rechtliche Verpflichtungen erfüllen muss. Das meint: Er muss auf seinen Grundstück gewisse Dinge „dulden, unterlassen oder tun“. Baulasten werden häufig nötig, wenn ein Bauvorhaben auf einem Grundstück nicht verwirklicht werden kann, weil es in der geplanten Form gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen würde. Um trotzdem eine Baugenehmigung zu bekommen, können Bauherren ein Nachbargrundstück mit einbeziehen – beispielsweise um die erforderlichen Abstandsflächen einzuhalten.

Der Eigentümer des Nachbargrundstücks kann sich in einem solchen Fall bereit erklären, für sein Grundstück eine Baulast in das zentrale Baulastenverzeichnis eintragen zu lassen. Nur er kann die Baulast beantragen – er handelt folglich völlig freiwillig. Für gewöhnlich jedoch gegen eine entsprechende Entschädigung. Ist der Eintrag in das Baulastenverzeichnis erst einmal erfolgt, so hat er bindende Wirkung – und das nahezu „für ewig“. Die Baulast bleibt auch bei einem Verkauf des Grundstücks weiter bestehen und kann nur in sehr, sehr seltenen Ausnahmefällen wieder gelöscht werden (dazu weiter unten).

Gut zu wissen: Bei einer Baulast handelt es sich folglich um eine Auflage, die zusätzlich zu den geltenden Bestimmungen aus dem Bebauungsplan wirksam ist. Die Verpflichtung gilt dabei gegenüber der Baurechtsbehörde.

Wo wird die Baulast eingetragen?

Jede Baulast wird in das zentrale Baulastenverzeichnis aufgenommen. Es wird von den Baubehörden der einzelnen Städte, Gemeinden oder Kommunen geführt. Baulasten werden also nicht im Grundbuch vermerkt. Einzige Ausnahme ist Bayern: Die Bajuwaren fixieren Baulasten als Grunddienstbarkeiten in Abteilung II des Grundbuchs des dienenden Grundstücks. Auch Brandenburg favorisierte eine Zeit lang diese Regelung, führte im Mai 2016 jedoch (wieder) ein reines Baulastenverzeichnis ein. Das Baulastenverzeichnis stützt sich auf die rechtlichen Grundlagen der jeweiligen Landesbauordnung.

Das Baulastenverzeichnis ist zwar eine Art Archiv öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen – es ist hingegen nicht öffentlich zugänglich. Der Gesetzgeber verlangt, dass nur diejenigen Einblick erhalten, die ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen können. Dem Grundstückseigentümer wird dieses per se attestiert, allerdings auch dem Käufer, der beabsichtigt Grundstück und Immobilie zu kaufen (auch dazu weiter unten).

Wie bereits angedeutet, kann nur der Eigentümer des Grundstücks, für das die Baulast eingetragen werden soll, diesen Vermerk beantragen. Die Kosten dafür bemessen sich an „der Größe und wirtschaftlichen Bedeutung der Baulast“, dem Verwaltungsaufwand und der Gebührenordnung des jeweiligen Bundeslands. Das Spektrum reicht von 300 bis 1.500 Euro. Die Kosten übernimmt in aller Regel derjenige, der von der Baulast profitiert.

Gut zu wissen: Wenn ein Notar einen Kaufvertrag für eine Immobilie oder ein Grundstück aufsetzt, so prüft er das Grundbuch, nicht aber das Baulastenverzeichnis. Deshalb sollten Sie als Käufer diesen Part übernehmen. Erfahren Sie nämlich erst von der Baulast, nachdem Sie den Kaufvertrag bereits unterschrieben haben, gilt dies nicht als Grund, vom Vertrag zurückzutreten.

Welche Baulasten sind im Baulastenverzeichnis aufgeführt?

Es gibt eine ganze Reihe von Baulasten, mit denen ein Grundstück belastet sein kann. Sie können sich mehr oder minder stark auf den Wert von Immobilie und Grundstück auswirken.

• Abstandsflächenbaulast

Eigentümer sind verpflichtet, einen Abstand von mindestens drei Metern zur benachbarten Immobilie einzuhalten. Diese Flächen müssen frei bleiben und dürfen nicht bebaut werden. Und: In der Regel müssen sie auf dem eigenen Grundstück liegen. Ist das nicht möglich, kann eine Abstandsflächenbaulast auf dem benachbarten Grundstück eingetragen werden. Eine solche verhindert dann, wie im Eingangsbeispiel, dass dort beispielsweise eine Garage gebaut werden kann.

• Erschließungsbaulast

Hat ein Grundstück keinen direkte Anbindung an das öffentliche Straßennetz, die Wasser-, Strom- und Abwasserversorgung, so wird eine Erschließungsbaulast benötigt, um die Zugänge über ein benachbartes Grundstück realisieren zu können.

• Überfahrbaulast

Ähnlich wie bei der Erschließungsbaulast wird durch eine Überfahrbaulast sichergestellt, dass ein Grundstück über ein anderes erreicht werden kann. So können Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr oder Krankenwagen auf das begünstigte Grundstück gelangen. Die Zufahrt darf nicht bebaut oder durch Tore eingeschränkt werden.

• Stellplatzbaulast

Nicht selten muss für ein Immobilienvorhaben eine gewisse Anzahl von Stellplätzen nachgewiesen werden. Sollte auf dem eigenen Gelände nicht ausreichend Fläche vorhanden sein, so kann der Bauherr auf das benachbarte Grundstück ausweichen – vorausgesetzt der dortige Eigentümer erklärt sich mit einer Stellplatzbaulast einverstanden.

• Kinderspielflächenbaulast

Gleiches gilt für Immobilien mit mehr als fünf vermietbaren Wohnungen, die eine Spielfläche für die Kinder der Mieter vorhalten müssen. Auch in diesem Fall kann über eine Kinderspielflächenbaulast auf ein angrenzendes Grundstück zurückgegriffen werden.

• Vereinigungsbaulast

Bei der Vereinigungsbaulast werden zwei oder mehrere Grundstücke baurechtlich wie ein Grundstück behandelt – während gleichwohl jeder Eigentümer die Rechte an seinem Grundstück behält. Durch die „Vereinigung“ kann die Bebauung insgesamt flexibler gestaltet werden, insbesondere im Hinblick auf Abstandsflächen. Klassische Anwendung findet diese Baulast bei Doppelhaushälften.

• Standsicherungsbaulast

Ist diese Baulast vorhanden, so müssen Sie Teile des Nachbarhauses auf dem eigenen Grundstück dulden, damit dessen Standsicherheit – insbesondere bei Hanggrundstücken – gewährleistet ist.

• Anbaubaulast

Anbaubaulasten entstehen, wenn alle Gebäude eines Straßenzugs in geschlossener Bauweise errichtet werden sollen. Sie müssen folglich bei Ihrer Bebauung an das angrenzende Gebäude anbauen.

Was ist der Unterschied zwischen Baulastenverzeichnis und Grundbuch?

Das Grundbuch gibt in erster Linie Aufschluss über die Eigentumsverhältnisse eines Grundstücks. Es ist ein öffentliches Verzeichnis, das vom Grundbuchamt geführt wird. Dieses wiederum „untersteht“ dem Amtsgericht. Neben den Eigentumsverhältnissen werden hier auch Nutzungs- und Nießbrauchrechte sowie Pfandrechte am Grundstück vermerkt – bei finanzierten Immobilien an prominenter Stelle die Grundschuld. In Abteilung II des Grundbuchs schließlich sind Grunddienstbarkeiten, wie das Wegerecht, fixiert – das sind exakt definierte Rechte eines anderen am Grundstück.

Das Baulastenverzeichnis enthält – und darauf lässt der Name eindeutig schließen – einzig und allein Baulasten. Es wird von den Baubehörden der Städte, Gemeinden und Landkreise verantwortet. Bei Baulasten handelt es sich nicht – wie bei den Grundbucheinträgen – um privatrechtliche Vereinbarungen, sondern um öffentlich-rechtliche Verpflichtungen gegenüber der Bauaufsichtsbehörde, bestimmte Dinge auf dem Grundstück zu dulden, zu unterlassen oder auszuführen.

Einträge in das Grundbuch kann nur ein Notar veranlassen, Einträge in das Baulastenverzeichnis werden, nach entsprechender Prüfung, auf Antrag des Eigentümers des zu belastenden Grundstücks vorgenommen. Dies geschieht zumeist über einen entsprechenden Antrag, dem ein Grundbuchauszug plus Lageplan sowie eine Personalausweiskopie beigefügt werden muss.

Am Rande: Es gibt ein privatrechtliches und ein öffentlich-rechtliches Wegerecht. Je nachdem, um welches es sich handelt, wird es im Grundbuch oder im Baulastenverzeichnis fixiert.

Welche Bedeutung hat das Baulastenverzeichnis beim Immobilienkauf?

Wie bereits erwähnt, sollten Sie als potentieller Immobilienkäufer immer (!) das Baulastenverzeichnis einsehen oder sich einen Auszug daraus aushändigen lassen. Bitten Sie den Verkäufer notfalls um eine Vollmacht zur Einsichtnahme, falls dieser Ihnen bei den Verkaufsunterlagen einen solchen Auszug nicht zur Verfügung gestellt hat. Sie riskieren ansonsten, dass Sie ein Grundstück erwerben, dass Sie nicht vollumfänglich oder wie beabsichtigt nutzen können.

Dabei wäre es unredlich, dem Verkäufer à priori zu unterstellen, er würde eventuelle Baulasten möglicherweise verschweigen. Es kommt gar nicht so selten vor, dass der Verkäufer einer Immobilie selbst gar nicht weiß, dass er die Seiten seines Grundstücks nicht bebauen darf – weil er nie Ambitionen in dieser Richtung hatte.

Inwieweit die Baulast den Immobilienwert mindert, hängt natürlich von der Art der Baulast und der sich aus ihr ergebenden, unmittelbaren Beschränkung/Belästigung ab – und selbstredend der Fläche, die überhaupt betroffen ist. Eine freizuhaltende Feuerwehrzufahrt, die alle Jubeljahre einmal benutzt wird, beeinträchtigt Ihr alltägliches Wohlbefinden vermutlich kaum merklich. Eine Abstandsflächenbaulast, die den fest beabsichtigten Anbau einer Garage oder die Errichtung einer Gartenlaube dauerhaft verhindert, kann da schon ärgerlicher sein.

In jedem Fall gilt: Wenn Sie wissen, dass für das Grundstück Baulasten eingetragen sind, dann können Sie auf Basis dieser Kenntnis im Einzelfall entscheiden – und Sie können Ihr Wissen natürlich gegebenenfalls als Trumpfkarte bei den Kaufpreisverhandlungen ausspielen.

Was kostet es, Einsicht in das Baulastenverzeichnis zu bekommen?

Wie erwähnt, müssen Sie für die Einsichtnahme in das Baulastenverzeichnis ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen. Als potentieller Käufer öffnet Ihnen eine entsprechende Vollmacht des Eigentümers diese Tür. Einen Auszug aus dem Baulastenverzeichnis können Sie formlos beim zuständigen Bauamt anfordern. In einigen Bundesländern funktioniert diese Anforderung inzwischen auch online – online einsehen können Sie das Baulastenverzeichnis jedoch nicht.

Die Kosten für einen Auszug aus dem Baulastenverzeichnis bewegen sich zumeist im mittleren, zweistelligen Bereich zwischen 30 bis 90 Euro. Im Hamburg werden 40 Euro je Grundstück fällig, in Berlin sind es 29 Euro. Die Gebühren richten sich nach der Verwaltungsgebührenordnung des jeweiligen Bundeslands.

Sogenannte Negativtestate, die belegen, dass keine Baulast vorhanden ist, kosten zumeist sehr wenig. Positivtestate hingegen sind tendenziell teurer, weil sie auch Kopien der Baulast-Texte und Kopien der relevanten Lagepläne enthalten.

Gut zu wissen: Mündliche Auskünfte zum Baulastenverzeichnis sind in aller Regel kostenlos. Bei einem beabsichtigten Immobilienkauf sollten Sie jedoch unbedingt einen schriftlichen Auszug beantragen.

Kann eine Baulast aus dem Baulastenverzeichnis gelöscht werden?

Eine einmal in das Baulastenverzeichnis eingetragene Baulast erfreut sich eines langen und sehr sicheren „Lebens“. Sie verschwindet weder durch Eigentümerwechsel noch durch Zwangsversteigerung. 

Tatsächlich liegen die Hürden für die Löschung einer Baulast denkbar hoch. Baulasten können nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Baubehörde, einer sogenannten Verzichtserklärung, und mit dem Einverständnis aller Beteiligten getilgt werden. Bevor die Bauaufsichtsbehörde jedoch ihren schriftlichen Verzicht erklärt, muss der Baulastengeber einen Nachweis erbringen, dass das öffentliche Interesse am Fortbestehen der Baulast nicht mehr existiert. Und das ist im Einzelfall ausgesprochen schwierig bis unmöglich.

Fazit: Nehmen Sie das Baulastenverzeichnis mit auf Ihre Checkliste

Wenn Sie sich vor dem Immobilienkauf eine gedankliche oder auch tatsächliche Checkliste angefertigt haben, auf was Sie alles achten und was Sie im Detail prüfen sollten, dann fügen Sie die Einsichtnahme in das Baulastenverzeichnis samt Ausrufezeichen dieser Liste hinzu. Sie schützen sich damit vor unliebsamen bis höchst ärgerlichen Offenbarungen nach dem Kauf. Etwa, wenn Sie feststellen müssen, dass Sie ihr Grundstück nicht wie geplant nutzen können oder andere Einschränkungen Ihr Wohlbefinden stören. Baulasten sind immer eine dauerhafte Last, sie verschwinden nie und lassen sich auch nicht abändern. Nicht alle Baulasten müssen den Wohnwert Ihrer Immobilie zwangsläufig schmälern – aber Sie allein sollten darüber entscheiden können, ob Sie die Verpflichtung in Kauf nehmen wollen – und dafür müssen Sie die Baulast kennen.

FAQs

1. Kann jeder das Baulastenverzeichnis einsehen?

Nein. Das Baulastenverzeichnis ist zwar ein öffentliches Register, es ist aber nicht öffentlich zugänglich. Sie müssen für die Einsichtnahme ein sogenanntes „berechtigtes Interesse“ nachweisen. Als potentieller Käufer gesteht Ihnen die Baubehörde dies zu. Auf der sicheren Seite sind Sie mit einer entsprechenden Vollmacht des Eigentümers.

2. Bleibt eine Baulast beim Verkauf bestehen?

Ja. Baulasten sind öffentlich-rechtliche Verpflichtungen gegenüber der Baubehörde, die auch bei einem Verkauf des Grundstücks automatisch auf den neuen Eigentümer übergehen. Selbst bei einer Zwangsversteigerung erlischt die Baulast nicht. 

3. Muss ich als Grundstückseigentümer einer Baulast zustimmen?

Nein. Die Eintragung einer Baulast in das Baulastenverzeichnis geschieht grundsätzlich freiwillig. Sie müssen also beispielsweise der Bitte Ihres Nachbarn auf Eintragung einer Abstandsflächenbaulast nicht nachkommen, wenn Sie dauerhafte Nachteile für den Wert Ihres Grundstücks befürchten.

4. Ist ein Auszug aus dem Baulastenverzeichnis kostenpflichtig?

Ja. Die Kosten für einen Auszug aus dem Baulastenverzeichnis liegen zwischen 30 und 90 Euro – maßgeblich dafür sind die Verwaltungsgebührenordnungen der einzelnen Bundesländer. Negativtestate, also die Auskunft, dass für das Grundstück keine Baulasten vermerkt sind, sind immer preisgünstiger als Positivtestate, die die genauen Baulast-Texte aufführen.

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