Eignen sich Immobilien als Inflationsschutz?
Der Schrecken hat etwas nachgelassen, überwunden ist der Schock noch nicht: Rund um die Jahreswende 2022/23 erlebte Deutschland eine so hohe Inflation wie es sie in den letzten 50 Jahren nicht mehr gegeben hat. Die Preise für Energie und Lebensmittel erreichten ein Rekordniveau, insgesamt verteuerten sich Produkte und Dienstleistungen um bis zehn Prozent. Seit dem zweiten Quartal 2023 flacht die Inflationskurve ab, die Geldentwertung scheint jedoch gefühlt weiter voranzuschreiten. Können Immobilien als Sachwerte in diesem Umfeld wirtschaftlicher Unsicherheit einen effektiven Inflationsschutz bieten? Welche Kriterien müssen sie dazu erfüllen? Und was passiert in der Inflation mit der Finanzierung, respektive dem Immobilienkredit? Lesen Sie im folgenden Ratgeber, ob, wann und wie Immobilien sich als Inflationsschutz eignen.
Was genau ist eigentlich eine Inflation?
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff Inflation oft synonym mit Geldentwertung verwendet. Und das ist auch völlig richtig. Das Wort stammt vom lateinischen „infaltio“, was soviel wie „aufblähen“ oder „anschwellen“ bedeutet. Volkswirtschaftlich bezeichnet Inflation einen kontinuierlichen Anstieg des Preisniveaus – weil der Menge des im Umlauf befindlichen Geldes kein adäquates Angebot an produzierten Waren und Dienstleistungen (mehr) gegenübersteht.
Während die Preise immer weiter klettern, sinkt der Wert des Geldes. Eine hohe Inflation schwächt daher die Kaufkraft, weil der Gegenwert, der mit einem Euro gekauft werden kann, stetig kleiner wird. Getrieben wurde (und wird) die aktuelle Inflation in Deutschland vorrangig durch die Explosion der Energiepreise, die wiederum ihre Ursache in den Sanktionen gegen Russland wegen des Überfalls auf die Ukraine hat. Der neu ausgebrochene Krieg im Nahen Osten gibt weiteren Anlass zur Sorge – sollten die erdölfördernden Länder in den Konflikt eingreifen oder involviert werden.
Welchen Einfluss nimmt die Inflation auf den Immobilienmarkt?
Grundsätzlich gilt in der Volkswirtschaft der Grundsatz, dass parallel mit dem Wertverlust des Geldes, Sachwerte, wie eben auch Immobilien, an Wert gewinnen. Allerdings ist diese Prämisse an ein paar Bedingungen geknüpft. Dazu im Folgenden detaillierte Ausführungen – zunächst jedoch ein Blick auf zwei sehr interessante Analysen.
Inflation, Krieg und Krisen begünstigen die Flucht in die Sachwerte
Ende Juli 2022 – das war zu einem Zeitpunkt, als die Inflation gerade so richtig Fahrt aufgenommen hatte und die EZB sich genötigt sah, erstmals nach elf Jahren den Leitzins anzuheben – zu diesem Zeitpunkt also verkündeten die Landesbausparkassen und der Münchener Finanzierungsvermittler Interhyp, dass die Nachfrage nach Immobiliendarlehen im letzten Quartal stark angestiegen sei. Grund sei offensichtlich die Sorge, dass Inflation und steigende Zinsen die Immobilienpreise noch weiter in die Höhe treiben würden. Das Münchener Ifo-Institut konstatierte gleichzeitig, dass finanziell weniger gut gerüstete Interessenten, die den Erwerb einer Immobilie vor allem wegen der günstigen Zinsen ins Auge gefasst hatten, nun aus dem Markt fallen würden.
Während also auf der einem Seite höhere Zinsen, Materialmangel und steigende Baukosten dem Immobilienmarkt einen leichten Dämpfer versetzten, realisierte sich auf der anderen Seite ein Kapitel aus dem Lehrbuch der Marktwirtschaft: Inflation, Krisen und Krieg begünstigen die Flucht in die Sachwerte, die als sicher gelten und für Wertstabilität stehen.
Schlagen die Immobilienpreise weiterhin die Inflation?
Ein knappes Jahr später, Anfang Juni 2023, stellte die Deutsche Bank eine Analyse vor, in der sie sich mit der Frage beschäftigt, ob Immobilien noch als Inflationsschutz taugen. Die Frage scheint berechtigt: Denn während die Inflation in den vergangenen Monaten einen Höhenrekord nach dem anderen gebrochen hat, gaben – erstmals seit Jahren – auch die Immobilienpreise nach. Um die hohe Teuerung zu bekämpfen, hatte die EZB bis zu diesem Zeitpunkt achtmal hintereinander den Leitzins angehoben.
Mit der Folge, dass Anleihen wieder attraktiver werden und für Investoren gegebenenfalls eine ertragreiche Alternative zur Immobilie darstellen. Zum zweiten hat der Zinsanstieg die Immobilienfinanzierung derart verteuert, dass die Nachfrage spürbar gesunken ist – und die Preise nachgeben.
Gleichwohl kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Immobilien auch in inflationären Zeiten an Wert zulegen. Eine Auswertung der Immobilienpreise in verschiedenen Ländern in den vergangenen 50 Jahren ergibt im Saldo: „Von 1970 bis 2022 übertraf der Anstieg der Hauspreise in allen 16 Ländern die Inflation – und zwar deutlich,“ kommentiert Deutsche-Bank-Analyst Jochen Möbert. Trotz Zinsanstieg und Anlagealternativen geht der Analyst davon aus, dass die Immobilienpreise langfristig nur in sehr wenigen Fällen stagnieren oder gar fallen werden. Gleichzeitig prognostiziert er jedoch, dass die Preise in der Gesamtwirtschaft für Waren und Dienstleistungen weiter klettern, die Kaufkraft also sinkt. Immobilien sind demnach auch weiterhin ein sicherer Inflationsschutz.
Lohnt eine Immobilien-Investition in der Inflation?
Ob es lohnend ist, während einer Inflation in Immobilien zu investieren, hängt von mehreren Faktoren ab. Einer der Wichtigsten ist die richtige Nutzung des Fremdkapitalhebels, den Sie nur zu Beginn einer sich abzeichnenden Inflation vollumfänglich ausschöpfen können.
Schließen Sie dann einen Finanzierungsvertrag mit einer möglichst langen Zinsbindung von mindestens 15, besser noch 20 oder 25 Jahren ab, so erwächst bereits aus dem Immobilienkredit selbst ein Inflationsschutz: Der Nennwert der Kreditsumme bleibt unverändert, während die Zinszahlungen durch die Geldentwertung real kleiner werden. Der tatsächliche Wert der Schulden sinkt also, der Wert der Immobilie steigt.
Nicht weniger wesentlich ist es gleichzeitig, ob Sie in eine Immobilie investieren, die Sie selbst nutzen, oder ob Sie den Inflationsschutz durch eine Rendite-Immobilie erzielen möchten. Der Inflationsschutz einer Rendite-Immobilie ist in aller Regel größer.
Inflationsschutz der selbstgenutzten Immobilie
Als Sachanlage bietet die selbstgenutzte Immobilie aktuell nur einen überschaubaren Inflationsschutz. Zwar stehen die eigenen vier Wände für eine positive Wertstabilität, die je nach Lage deutlich wachsen kann. Trotzdem steigen durch die Inflation die Energie- und Nebenkosten, die zu einer spürbaren Mehrbelastung führen.
Andererseits garantiert ein abbezahltes Haus im Alter eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit, die sich allein durch die nicht mehr anfallende Miete ergibt. Eine Senkung der Mietpreise erscheint auf lange Sicht ebenso unwahrscheinlich wie eine allgemeine Minderung der Wertstabilität von Immobilien. Die selbstgenutzte Immobilie steht insofern für einen klar umrissenen, aber eben langfristigen Inflationsschutz.
Inflationsschutz der vermieteten Immobilie
Ähnlich wie bei der selbstgenutzten Immobilie steigen auch bei der vermieteten Immobilie die Betriebs- und Nebenkosten – mit dem Unterschied, dass diese in Summe für gewöhnlich deutlich höher ausfallen als beim privaten Eigenheim. Gleichzeitig sinkt der Wert des Geldes, den der Vermieter als Gewinn aus den Mieten und Betriebskostenvorauszahlungen seiner Mieter generiert. Im Zuge der allgemeinen Inflation kann ein Vermieter diesen Verlust jedoch mit einer Anhebung der Miete und der Nebenkosten kompensieren – unterstellt, Lage, Zustand und politisches Umfeld der Immobilie erlauben diesen Schritt. Die vermietete Immobilie kann daher – im Idealfall – einen umfassenden Inflationsschutz gewährleisten.
Entscheidender Unterschied: Neue oder renovierungsbedürftige Immobilie
Auf den möglichen Inflationsschutz einer Immobilie nimmt schließlich der jeweilige Zustand von Haus oder Wohnung einen maßgeblichen Einfluss. Grundsätzlich gilt, dass ein Neubau vor Inflation besser geschützt ist als eine renovierungs- oder gar sanierungsbedürftige Immobilie.
Je nach Aufwand und erforderlichen Maßnahmen kann sich die Inflationssicherheit im zweiten Fall sogar ins genaue Gegenteil verkehren. Ältere Bestandsimmobilien mit schlechter Energiebilanz erfordern nicht selten extrem hohe Kosten, um sie überhaupt „zukunftsfit“ zu machen. Ob und wie schnell sich diese Kosten amortisieren, hängt im Wesentlichen von der Lage der Immobilie ab.
Die Lage der Immobilie bestimmt ihre Wertstabilität
Die Wertstabilität einer Immobilie, ihre Krisen- und Inflationssicherheit basiert wesentlich auf der Wohnraum-Nachfrage am jeweiligen Standort. Insofern entscheidet – wie so oft – die Lage der Immobilie darüber, ob eine Immobilieninvestition rentabel ist. In den Metropolregionen und den aufstrebenden Mittelstädten wird die Nachfrage auf unbestimmte Zeit das Angebot übertreffen und in dieser Konstellation nicht nur die Wertbeständigkeit, sondern auch die Wertsteigerung von Immobilien begünstigen.
Immobilien garantieren in diesem Umfeld nicht nur Inflationsschutz, sondern dürfen auch als lohnendes Invest bezeichnet werden. Anders sieht es hingegen in strukturschwachen und von Abwanderung bedrohten Regionen aus: In diesen sollte ein Engagement sehr gut überlegt werden.
Immobilienaktien und -anleihen als Alternative zur physischen Variante
Auf die Frage, welche Investitionen während einer Inflation generell Sinn machen, antworten Ökonomen nicht selten: Die in Aktien und Anleihen – weil die Umsätze und Gewinne der Unternehmen mit den steigenden Preisen für Dienstleistungen und Produkte ja ebenfalls steigen. Gleichzeitig, so der Rat, sollte der Fokus – unter dem Vorbehalt des Werterhalts – natürlich auf Sachwerten liegen. Im Saldo bieten sich ergo Immobilienaktien und Immobilienanleihen als Inflationsschutz an? Vorsicht, der Teufel steckt hier oft im Detail.
Indirekte Investition in den Immobilienmarkt: Immobilienaktien
Immobilienaktien sind Aktien von Unternehmen aus dem Immobiliensektor, die entweder mit Immobilien handeln oder Immobilien im Bestand halten und diese vermieten. Sie konzentrieren sich auf bestimmte Marktsegmente, wie beispielsweise Wohnimmobilien, oder halten Immobilien aus allen Bereichen. Als Anleger können Sie Immobilienaktien jederzeit kaufen und auch wieder verkaufen. Auch die Anlagesummen lassen sich variabel gestalten und eventuell auf mehrere Segmente verteilen. Obwohl Immobilienaktien als „relativ schwankungsarme“ Wertpapiere gelten, müssen Sie sich als Anleger darauf einstellen, dass die Kurse phasenweise „Achterbahn“ fahren können.
Diese Tatsache ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Kursentwicklung weniger von den Aktienmärkten als vielmehr von den Immobilienmärkten abhängt. Ein Beispiel: Trotz steigender Preise und Mieten von Wohnimmobilien brachen die Kurse von Vonovia und Deutsche Wohnen vor einiger Zeit schlagartig ein, als in Berlin eine Initiative die Debatte um eine Enteignung großer Wohnungskonzerne initiierte. Immobilienaktien eignen sich ausdrücklich nur für Kenner des Immobilienmarktes, die sich konsequent auf dem Laufenden halten.
Niedrigeres Risiko, niedrigere Rendite: Immobilienanleihen
Immobilienanleihen sind festverzinsliche Wertpapiere, die durch Immobilienprojekte besichert sind. Sie bieten regelmäßige Zinszahlungen und sind in der Regel weniger volatil als Aktien. Gleichwohl besteht das Risiko von Zahlungsausfällen, wenn ein bestimmtes Immobilienprojekt scheitert. Immobilienanleihen haben in jüngster Zeit – in Folge der EZB-Leitzins-Erhöhungen – wieder an Attraktivität gewonnen.
Je länger die Laufzeit einer Immobilienanleihe ist, desto eher wirken sich zwischenzeitliche Zinsveränderungen auf Ihre Geldanlage aus. Sie verbuchen zwar keinen Verlust, wenn Sie die Anleihe bis zum Ende der Laufzeit halten, doch profitieren Sie während dieser Zeitspanne auch nicht von eventuell weiter steigenden Zinsen. Profis setzen daher bevorzugt auf Papiere mit kurzer Laufzeit, wenn Sie mit Zinserhöhungen rechnen.
Offene Immobilienfonds und Crowd-Investing als weitere Möglichkeiten
Als klassische Investmentfonds sammeln Offene Immobilienfonds das Geld ihrer Anleger in einem großen Topf, um mit den Vermögen Immobilien – Wohnimmobilien, Bürogebäude, Lager- und Logistik-Immobilien in verschiedenen Städten oder auch Ländern – zu erwerben. Sie unterscheiden sich in den Renditechancen, im Risiko und auch im Anlagehorizont.
Crowd-Investing gehört zu den eher jüngeren Formen der Immobilieninvestition. Sie können sich als Anleger, zusammen mit anderen, an konkreten Immobilienprojekten beteiligen und potenziell attraktive Renditen erzielen. Allerdings geht mit dieser Form des Investierens, oft auch Crowd-Funding genannt, ein deutlich höheres Risiko einher. Sorgfältige Due Diligence bei der Auswahl von Plattformen und Projekten ist unerlässlich.
Immobilien-Invest als Inflationsschutz erfordert Sach- und Fachkenntnis
Bei jeder Immobilien-Investition, die dem Inflationsschutz dienen soll, gibt es eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, wenn das Ergebnis zufriedenstellend bis erfreulich ausfallen soll. So wie Sie beim Kauf einer Immobilie deren Lage, Zuschnitt und energetischen Zustand sorgfältig prüfen sollten, erfordert auch ein nicht physisches Engagement kompetentes Fachwissen. Lassen Sie sich unbedingt von Experten beraten, bevor Sie sich für eine bestimmte Form des Investments entscheiden. Besser noch: Streuen Sie Ihr Immobilienportfolio möglichst breit, um das berüchtigte Klumpenrisiko zu vermeiden.
Bitte beachten Sie unbedingt: Die hier vorgestellten Alternativen zum tatsächlichen Kauf einer Immobilie sind ihrer Form und ihrem Wesen nach keine Anlageberatung. Sie sollen Ihnen lediglich eine Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten geben.
Immobilien sind ein sicherer Inflationsschutz – unter Bedingungen
Wie bei nahezu allen Investments entscheidet auch bei Immobilienkauf als Inflationsschutz die richtige Strategie. Als Sachwert dürfen Immobilien grundsätzlich als krisensicher bezeichnet werden – aber das gilt aktuell nicht für alle Immobilien gleichermaßen: So behaupten sich Wohnimmobilien, trotz kurzfristig gefallener Preise, langfristig als inflationssicher – schon, weil die Nachfrage nach Wohnraum eher steigt als abnimmt.
Anders sieht es beispielsweise bei Büro- und Einzelhandelsimmobilien aus – hier haben Home Office und E-Commerce den Bedarf radikal gekappt. Das Eigenheim bietet einen eher lang- als kurzfristigen Inflationsschutz, weil es vor steigenden Mieten bewahrt. Der Inflationsschutz vermieteter Immobilien bleibt in seinem Ausmaß an den Standort geknüpft – die Möglichkeit also, die durch die Geldentwertung geschmälerten Gewinne durch eine Anhebung der Miete wieder auszugleichen.
FAQs
1. Wie schützen Immobilien vor Inflation?
Einfach formuliert, bedeutet Inflation Geldentwertung. Und damit verbunden schwindende Kaufkraft. Als Sachwerte sind Immobilien im Grundsatz von dieser Entwicklung nicht betroffen, ihr Wert bleibt stabil beziehungsweise steigt sogar. Der reale Inflationsschutz einer Immobilie hängt jedoch von einer Reihe weiterer Faktoren ab.
2. Warum sind Neubauten inflationssicherer als Bestandsimmobilien?
Bei Neubauten fallen auf absehbare Zeit keine Reparatur- und größeren Instandhaltungsarbeiten an, die in einer Inflation mit steigenden Preisen für Materialien und Dienstleistungen teuer bezahlt werden müssen. Bei älteren Immobilien besteht diese Gefahr immer.
3. Wie wirkt sich eine Inflation auf die Mieten aus?
Sie steigen, weil Vermieter die Teuerungsrate an ihre Mieter weiterreichen – vorausgesetzt Lage und politisches Umfeld der Immobilie erlauben diesen Schritt. Bei Indexmietverträgen ist dieses Procedere sogar vertraglich vereinbart.
4. Wie lange dauert die aktuelle Inflation noch?
Die führenden Konjunkturinstitute gehen aktuell davon aus, dass das Jahr 2023 mit einer Inflationsrate von plus/minus 6 Prozent abschließen wird. Nach zehn Erhöhungen in Folge belässt die EZB den Leitzins aktuell bei 4,5 Prozent und kalkuliert für 2024 mit einer Inflation von „mehr als drei Prozent“.