Vergleichswertverfahren – Immobilienbewertung verständlich erklärt

Haben Sie gedanklich auch schon den Kopf geschüttelt, wenn es eine spektakuläre Versteigerung beim Londoner Auktionshaus Christie’s mal wieder in die Top-Nachrichten im Radio und auf die Titelseiten der Tageszeitungen geschafft hat? Etwa, weil eine kleine, pinke Handtasche für 230.000 US-Dollar den Besitzer wechselte? Oder ein paar gebrauchte Turnschuhe für eine halbe Million Euro über den Tresen ging? Christie’s in London und die Kollegen von Sotheby’s in New York markieren die, zugegeben exzentrische, Spitze einer Markt-Maxime, die gleichwohl auch für den ganz normalen Handel gilt, auch den mit Immobilien. Wenn Sie Ihre Wohnung oder Ihr Haus verkaufen möchten, dann bestimmt dieser eherne Leitsatz Ihren möglichen Verkaufserlös: Ihre Immobilie ist genau das wert, was ein möglicher Käufer dafür zu bezahlen bereit ist.

Auf dieser Grundannahme basiert auch das Vergleichswertverfahren, das wir Ihnen an dieser Stelle als zweites der in Deutschland anerkannten drei Verfahren zur Wertermittlung von Immobilien vorstellen. Es liefert besonders präzise Ergebnisse, weil es auf den Zahlen tatsächlich erfolgter Käufe basiert – und daher die Nachfragesituation am lokalen Markt berücksichtigt. Lesen Sie im folgenden Ratgeber, warum das Vergleichswertverfahren besonders gut geeignet ist, einen realistischen Angebotspreis für Immobilien zu ermitteln, die verkauft werden sollen.

Was genau ist das Vergleichswertverfahren?

Das Vergleichswertverfahren arbeitet, wie der Name bereits vermuten lässt, mit dem Vergleich ähnlicher, bereits verkaufter Objekte, um den aktuellen Wert einer Immobilie oder eines Grundstücks zu ermitteln. Es wird im § 15 der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) genau geregelt und zählt neben dem Sachwertverfahren und dem Ertragswertverfahren zu den drei anerkannten Verfahren der Immobilienbewertung.

Es gilt unter Experten als das Verfahren mit der größten Aussagekraft, wenn es darum geht, den Markt- oder Verkehrswert einer Immobilie zu bestimmen. Anders als das Sachwertfahren zielt diese Methode nicht darauf ab, den rein materiellen Wert eines Hauses herauszuarbeiten – vielmehr geht es darum, herauszufinden, zu welchem Preis die Immobilie realtiv problemlos am Markt zu veräußern wäre. Im Prinzip also um die Frage: Welchen monetären Wert hat die Immobilie unter den gegenwärtigen Bedingungen von Angebot und Nachfrage? Wie viel ist ein potentieller Käufer bereit, dafür zu bezahlen? 

Diese Einbeziehung des Marktgeschehens gehört zu den herausragenden Vorteilen des Vergleichswertverfahrens. Sie kann im Einzelfall positive oder auch negative Effekte haben: Der Wert eines hochwertig errichteten Hauses, für das sich aufgrund mauer Nachfrage kein Käufer findet, kann in dieser Betrachtungsweise deutlich unter den puren Herstellungskosten liegen. Umgekehrt wird ein einfach gebautes Haus bei hoher Nachfrage (und geringem Angebot) am lokalen Markt einen Wert erzielen, der den Wert der Bausubstanz um ein Vielfaches überschreitet.

Doch wie kann eine Immobilie nun überhaupt mit anderen bereits verkauften und noch dazu ähnlichen Häusern verglichen werden? Dreh- und Angelpunkt dieser Methode sind die anonymisierten Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse in den Gemeinden. Da jeder Immobilien- oder Grundstücksverkauf in Deutschland von einem Notar beurkundet werden muss, und die Notare diese Kauf- und Verkaufsinformationen an die Gutachterausschüsse weiterreichen, hüten diese einen „Datenpool“ mit allen realisierten Verkaufspreisen der jeweiligen Region.

Die Betonung liegt auf dem „realisiert“: Es handelt sich ausschließlich um tatsächlich bezahlte Summen. Und diese wiederum sind Ausdruck des aktuellen Marktniveaus, das lokal vorhanden ist. Makler und Sachverständige nutzen die Datensammlungen der Gutachterausschüsse als Basis für das Vergleichswertverfahren.

Gut zu wissen: Das Vergleichswertverfahren erzielt bei ausreichender Datenbasis sehr präzise Ergebnisse. Auch wenn es weniger kompliziert als das Sachwert- oder das Ertragswertverfahren ist, liefert dennoch nur die Anwendung durch einen Experten die Garantie für einen final richtigen Wert.

Worin unterscheiden sich direktes und indirektes Vergleichswertverfahren?

Im Grundsatz kann das Vergleichswertverfahren für alle Immobilien und Grundstücke angewendet werden, für die es ausreichendes „Vergleichsmaterial“ gibt. Es steckt übrigens auch in den allermeisten Algorithmen, die im Hintergrund der kostenlosen Online-Rechner zur Immobilienbewertung ihre Arbeit verrichten. Klassischerweise ist das Vergleichswertfahren jedoch die erste Wahl, wenn es um die Wertermittlung von selbstgenutzten Immobilien für den Verkauf geht, also bei:

- Einfamilienhäusern,

- Doppelhaushälften,

- Reihenhäusern,

- Eigentumswohnungen.

Dabei funktioniert das Vergleichswertverfahren natürlich am besten und einfachsten, wenn sich die zu vergleichenden Objekte möglichst sehr, sehr ähnlich sind. Da dies nicht immer der Fall ist, wird zwischen dem direkten und dem indirekten Vergleichswertverfahren unterschieden.

Das direkte Vergleichswertfahren

Liegen Kaufpreise von direkt vergleichbaren Immobilien oder Grundstücken vor, so herrschen Optimalbedingungen für ein direktes Vergleichswertverfahren. Sind Lage und Größe, 

 Zustand und Baujahr identisch, gestaltet sich der Vergleich simpel. 

Beispiel: Stellen Sie sich eine Reihenhaussiedlung mit sieben Häusern vor, von denen Nummer drei vor sechs Monaten und Nummer fünf vor drei Monaten verkauft wurde. Der (Verkaufs-) Wert von Haus Nummer vier, das nun verkauft werden soll, lässt sich unschwer aus dem Vergleich mit den beiden anderen ableiten.

In der Praxis ist dieser Idealfall jedoch verständlicherweise eher die Ausnahme. Zumeist liegen solche direkten Vergleichswerte nicht vor – Makler und Sachverständige greifen dann auf das indirekte Vergleichswertverfahren zurück.

Das indirekte Vergleichswertfahren

Für das indirekte Vergleichswertfahren werden die Kaufpreise ähnlicher Immobilien herangezogen. Praktisch dabei: Die örtlichen Gutachterausschüsse sammeln die ihnen zufließenden Informationen nicht einfach nur, sie gliedern sie nach verschiedenen Kriterien wie Wohnfläche, Baujahr, Lage und Ausstattung. Für jedes einzelne Segment wird ein Durchschnittswert ermittelt. Aus diesen Datensätzen kann der Makler oder Sachverständige sodann eine Vergleichsgruppe von Objekten zusammenstellen, die der zu bewertenden Immobilie ähnelt. Für wertbeeinflussende Merkmale, die sich unterscheiden, werden jeweils Zu- oder Abschläge eingerechnet.

Beispiel: Wurde das Bad der zu bewertenden Immobilie aufwendig modernisiert, beim Vergleichsobjekt jedoch nicht, kann ein Zuschlag von 5 Prozent angesetzt werden. Liegt die zu bewertende Eigentumswohnung im Erdgeschoss, das Vergleichsobjekt jedoch im 1. Obergeschoss, werden 15 Prozent Abschlag fällig.

Gut zu wissen: Eine Immobilienbewertung nach dem Vergleichswertverfahren ist nur dann unanfechtbar, wenn der sogenannte Anpassungsfaktor, also der jeweilige Zu- oder Abschlag, die Marke von 35 Prozent nicht überschreitet. Bei größeren Abweichungen sind die ausgewählten Objekte für den Vergleich nicht zulässig.

Welche Faktoren berücksichtigt das Vergleichswertverfahren bei Gebäuden?

Um einen möglichst präzisen Ergebniswert für das Bewertungsobjekt zu erhalten, werden bei Gebäuden insbesondere die folgenden Aspekte berücksichtigt:

• Art und Größe des Gebäudes

Handelt es sich um eine Wohn-, Gewerbe- oder Sonderimmobilie? Wie groß ist sie?

• Bauweise und energetischer Zustand

In welcher Bauweise wurde das Haus errichtet? Handelt es sich um ein besonders energieeffizientes Gebäude? Wann wurde das Haus gebaut?

• Ausstattungsqualität und Gestaltung

Wie hochwertig ist die Immobilie ausgestattet? Welche Merkmale kennzeichnen den Grundriss? Wie ist die Immobilie innen und außen gestaltet?

• Restnutzungsdauer

In welchem Zustand befindet sich die Immobilie? Wie lange kann sie bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung noch genutzt werden?

• Gesetzliche Verbote und Beschränkungen der freien Verfügung

Inwiefern ist die Nutzung der Immobilie eingeschränkt? Steht sie beispielsweise unter Denkmalschutz? Gibt es Grunddienstbarkeiten?

• Art und Verwendung der Nachbarschaftsliegenschaften

Wodurch ist das direkte Umfeld der zu bewertenden Immobilie gekennzeichnet?

• (bei Mietobjekten) Ertrag durch Vermietung

Welche Mieteinnahmen werden regelmäßig erzielt?

Welche Kriterien spielen im Vergleichswertverfahren bei Grundstücken eine Rolle?

In die Bewertung eines Grundstücks fließen die folgenden Vergleichskriterien ein:

• Lage und Erschließungsgrad

Wo genau liegt das Grundstück? Gibt es eine Anbindung an öffentliche Straßen? An das Strom-, Wasser- und Abwassernetz? Sind Kommunikationsleitungen verlegt?

• Bodenbeschaffenheit und Bodenschätze

Eignet sich der Boden, um ein Bauwerk zu tragen? Weisen Bodenproben auf Altlasten aus früherer Nutzung oder Bodenschätze hin?

• Mikrolage und Größe

Wie groß ist das Grundstück? In welche Himmelsrichtung ist es ausgerichtet? Wie hoch sind Lärmbelästigung und Luftemissionen? Welchen Zuschnitt hat das Grundstück?

• Bau- und planungsrechtliche Einschränkungen

Ist die Baufreiheit in irgendeiner Form eingeschränkt?

• Nutzungsbeschränkungen

Sind in Abteilung II des Grundbuchs Verbote bezüglich der Nutzung des Grundstücks eingetragen?

Wie sieht eine Beispielrechnung beim Vergleichswertverfahren aus?

Die Bewertung einer Immobilie nach dem Vergleichswertfahren erfolgt grundsätzlich in mehreren Schritten:

1. Informationen über die zu bewertende Immobilie einholen und dokumentieren

In aller Regel wird der beauftragte Makler oder Sachverständige Ihr Haus bei einem Vor-Ort-Termin sorgfältig in Augenschein nehmen und alle relevanten Daten notieren, von der Lage über das Baujahr und die Wohnfläche bis zum energetischen Zustand und zur Ausstattung.

2. Daten über ähnliche Objekte sammeln und Vergleichsgruppe zusammenstellen

Bei den Gutachterausschüssen Ihrer Gemeinde fordert der Makler anschließend Datensätze über den Verkauf ähnlicher Objekte in jüngerer Zeit an und bildet aus diesen eine passende Vergleichsgruppe.

3. Anpassen der Vergleichspreise an den Wertermittlungsstichtag

Für gewöhnlich werden in die Vergleichsgruppe nur Verkäufe aufgenommen, die nicht länger als zwei Jahre zurückliegen. Doch auch in diesen 24 Monaten kann sich das Preisniveau am örtlichen Immobilienmarkt erheblich geändert haben. Deshalb werden ältere Preise mithilfe eines offiziell ermittelten Marktpreis-Indexes auf den aktuellen Stichtag umgerechnet und anschließend ein Mittelwert gebildet.

4. Umrechnung des Vergleichspreises auf den Zustand der zu bewertenden Immobilie

In diesem Schritt werden nun alle Abweichungen und Besonderheiten der zu bewertenden Immobilie im Verhältnis zum Vergleichswert berücksichtigt. Dies geschieht nicht willkürlich, sondern durch exakt vorgegebene Zu- beziehungsweise Abschläge.

Am Beispiel einer einfachen Eigentumswohnung lässt sich das Prinzip sehr gut veranschaulichen:

Größe: Vergleichsdaten: 110 m2, Bewertungsobjekt: 110 m2, kein Zu- oder Abschlag

Baujahr: 1992, 1989, minus 4 %

Stockwerk: 1. Stock, Dachgeschoss, minus 15 %

Zustand: gemäß Baujahr, modernisiert, plus 17 %

Ausstattung: durchschnittlich, gehoben, plus 12 %

Äußere Einflüsse: ruhige Lage, Hauptstraße, minus 28 %

5. Vorläufigen Vergleichswert ermitteln

Aus den Zu- und Abschlägen kann nun ein Saldo gebildet werden, der mit dem Vergleichswert multipliziert wird. Das Ergebnis wird von diesem abgezogen (oder addiert) und ergibt einen vorläufigen Vergleichswert.

Im Beispiel oben sieht das wie folgt aus:

Der Saldo der Zu- und Abschläge ergibt minus 18 %, der Kaufpreis je m2 der Vergleichsbasis beträgt 1.750 Euro

1.750 Euro x 18 Prozent = 315 Euro. 

1.750 Euro – 315 Euro = 1.435 Euro je m2

Der Wert des Vergleichsobjekts liegt bei 192.500 Euro, der vorläufige Vergleichswert der zu bewertenden Immobilie beträgt folglich 157.850 Euro.

6. Ermittlung des endgültigen Verkehrswerts durch Berücksichtigung objektspezifischer Besonderheiten plus eventuelle Marktanpassung

In einem letzten Schritt erlaubt das Vergleichswertverfahren schließlich noch die Berücksichtigung spezieller wertrelevanter Merkmale, die die Immobilie auszeichnen und/oder sich einem direkten Vergleich entziehen. Insbesondere bei Grundstücken und nicht allzu üppigen Vergleichsdaten können im Rahmen einer erlaubten und vorgesehenen Marktanpassung auch Ergebnisse, die aus anderen Bewertungsverfahren, beispielsweise dem Sachwertverfahren, gewonnen wurden, korrigierend hinzugezogen werden.

Bei welcher Immobilienbewertung ist das Vergleichswertverfahren nicht geeignet?

Das Vergleichswertfahren stößt immer dann an seine Grenzen, wenn es zu wenige Vergleichswerte gibt, die Datenbasis also zu dünn ist. Sehr pauschal gilt die Devise, dass für einen stichhaltigen Wert roundabout 30 Vergleichsobjekte vorhanden sein sollten, die innerhalb von zwei Jahren verkauft wurden. Dieses Soll wird in ländlichen Gegenden mit dünner Besiedelung kaum erreicht.

Auch komplexe Gebäude mit einzigartigen Merkmalen entziehen sich der Beurteilung durch das Vergleichswertverfahren – eben, weil sie herausragend und unvergleichbar sind.

Grundsätzlich bietet sich bei vermieteten Immobilien zudem eher das Ertragswertverfahren an, da in diesem Fall der Fokus weniger auf dem Wert des Gebäudes, als vielmehr auf dem Ertrag oder Gewinn durch die Mieteinnahmen liegt, der mit ihm erzielt werden kann.

Fazit: Das Vergleichswertverfahren punktet mit vielen Vorteilen

Das Vergleichswertverfahren ist eine sehr zuverlässige Methode, um den tatsächlichen Marktwert von Immobilien oder Grundstücken zu ermitteln. Da es auf realen Kaufpreisen beruht, bildet es das aktuelle Marktgeschehen recht authentisch ab und wird von Maklern und Sachverständigen routinemäßig angewandt. Insbesondere bei privatem Wohneigentum in städtischen Lagen punktet es mit nachvollziehbaren und überprüfbaren Ergebnissen. Wenn Sie den aktuellen Verkehrswert Ihrer Immobilie bestimmen lassen möchten, um genau zu wissen, was Ihr Wohneigentum wert ist, dann bietet sich das Vergleichswertfahren als erste Wahl an. Auch wenn Sie über einen Kauf oder Teilverkauf Ihrer Immobilie nachdenken, müssen Sie deren Marktwert kennen – das Vergleichswertverfahren liefert Ihnen ein präzises Ergebnis, das unabhängig jederzeit nachgeprüft werden kann.

FAQs

1. Wie funktioniert das Vergleichswertverfahren?

Das Vergleichswertverfahren vergleicht die zu bewertende Immobilie (oder das Grundstück) mit ähnlichen Objekten, die in jüngerer Zeit in der Region verkauft wurden. Daten liefern die Kaufpreissammlungen der örtlichen Gutachterausschüsse. Da nun in aller Regel keine Immobilie exakt der anderen gleicht, werden für alle wertbestimmenden Kriterien Zu- oder Abschläge eingerechnet. Am Ende steht ein Immobilienwert, der dem aktuellen Marktniveau entspricht.

2. Wann wird das Vergleichswertverfahren angewandt?

Da das Vergleichswertverfahren die aktuellen Entwicklungen am Immobilienmarkt sehr gut einbezieht, wird es sehr häufig eingesetzt, um den Verkehrs- oder Marktwert einer Immobilie zu bestimmen.

3. Für welche Immobilienarten eignet sich das Vergleichswertverfahren besonders?

Makler und Sachverständige nutzen das Vergleichswertverfahren bevorzugt zur Wertermittlung von selbstgenutzten Immobilien in Wohngebieten, also für Einfamilien- und Reihenhäuser, Doppelhaushälften oder Eigentumswohnungen.

4. Welche Nachteile hat das Vergleichswertverfahren?

Gibt es keine oder zu wenige Vergleichsdaten, so muss das Vergleichswertverfahren logischerweise scheitern. Es eignet sich daher nicht für außergewöhnliche Immobilien oder für Häuser in dünn besiedelten Gegenden.

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